„Das Mädchen, das rückwärts ging“: Interview mit Kate Hamer
Mütter und Töchter
„Das Mädchen, das rückwärts ging“ ist sehr berührende Geschichte um ein Mädchen, das seiner Mutter abhanden kommt. Schrecklich natürlich, gleichzeitig aber wirklich schön geschrieben.
Ich habe Kate Hamer ein paar Fragen gestellt.
Warum? Warum schreibt man ein Buch über eins der schlimmsten Dinge, die Eltern passieren können?
Gute Frage. Bis zu einem gewissen Grad glaube ich, dass man sich durch das Schreiben mit den eigenen Ängsten befasst – man muss über etwas schreiben, das wichtig für einen ist, sonst bekommt es keine emotionale Ebene. Diese Angst ist ziemlich universell und ich glaube, dass alle Eltern irgendwann darüber nachdenken. Letztlich ist es eine Möglichkeit zu analysieren, was es bedeutet, Mutter zu sein – und die komplexeste aller Beziehungen zu beleuchten: Mütter und Töchter. Trotzdem musste ich mich immer wieder daran erinnern, dass es sich um Protagonisten in einem Roman handelte. Ich glaube, wenn man seine Protagonisten wie echte Menschen mag – wie ich es durchaus tat – dann neigt man dazu, nicht allzu gemein zu ihnen zu sein, sie lieber schöne als traumatische Dinge erleben lässt. Da musste ich sehr streng mit mir selber sein und mich daran erinnern, dass ich Fiktion schreibe.
Du hättest leicht einen Thriller aus dem Buch machen können. Aber das hier ist eine leise, ruhige Geschichte. Sie ist schmerzhaft und raubt einem den Atem, aber sie ist ruhig. Bist du selbst eher ruhig?
Nicht ansatzweise! Ich glaube, ich hatte das Gefühl, dass es bereits genug Dynamik und herzzerreißende Szenen in der Erzählung gab, ohne sie zu etwas deutlich Thrillerartigerem zu machen. Eigentlich, wie schon gesagt, geht es in dem Buch um die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern und eher um Liebe als um Verlust, und ich glaube nicht, dass ein Thriller im eigentlichen Sinne das hätte vermitteln können. Ich verwende außerdem am liebsten einfache Worte – das ist für mich gewaltiger, das ist mächtiger als alles andere. Allerdings glaube ich, dass der Thriller ein breites Spektrum umfasst und man das Buch auch als Thriller einordnen könnte.
Beths Schmerz [Beth ist die Mutter] bleibt im Hintergrund – ihre Gefühle werden kaum erwähnt, sind aber immer vorhanden. Hast du deinen eigenen angenommenen Gefühlen vertraut oder hast du tatsächliche Fälle von verschwundenen Kindern recherchiert und mit den Eltern gesprochen?
Ich habe sehr früh beschlossen, keine tatsächlichen Fälle zu recherchieren. Das hatte mehrere Gründe. Ich wollte, dass die Geschichte hauptsächlich Beth und Carmel [der Tochter] gehört und ihnen keine Erfahrungen angehängt werden. Außerdem war es eine Frage des Respekts – ich wollte nicht das echte Leben von jemandem in einem fiktionalen Zusammenhang verwenden. Außerdem glaube ich, dass dieses Buch im Grunde seines Herzens eine andere Geschichte als die einer vermissten Person erzählt.
Hast du Carmels und Beths Erzählstränge unabhängig voneinander oder in der chronologischen Reihenfolge geschrieben?
Was für eine interessante Frage – das hat mich noch niemand gefragt! Beide Möglichkeiten wären aus verschiedenen Gründen vollkommen logisch, aber ich habe sie tatsächlich in chronologischer Reihenfolge geschrieben. Eine der schwierigsten Aufgaben beim Schreiben war, die zwei Stimmen in Balance zu halten, sodass keine die andere dominieren konnte. Und ich glaube, die chronologische Methode hat mir dabei geholfen, weil ich beide Stimmen direkt beim Schreiben austarieren musste. Außerdem bleibt die Beziehung zwischen Beth und Carmel irgendwie bestehen. Als ich die beiden Erzählstränge nebeneinander schrieb, konnte ich fast fühlen, wie sie versuchten, einen Dialog über die Schlucht zu führen.
Sollte ich jetzt mehr Angst um meine Kinder haben oder kann ich mich entspannen, weil nicht alle alten Männer, die Kinder entführen, unbedingt gefährlich sind?
Ach du meine Güte, das kann ich, glaube ich, nicht beantworten. Ich glaube, wir werden Probleme bekommen, wenn uns Romane zu viel über unser Verhalten vorschreiben!
Wenn sich Leute das Leben eines Autors vorstellen, fangen sie an zu lächeln und sagen in etwa: „Oh, was für ein großartiges Leben das sein muss.“ Hat es dir Spaß gemacht, das Buch zu schreiben oder war es eher harte Arbeit? Wie ging es dir beim Schreiben?
Beides. Ich glaube, um einen Roman zu schreiben, muss man schon sehr entschlossen sein, einfach, weil es so ein riesiges Projekt ist. Wenn es mit dem Schreiben gut läuft, macht es viel Spaß, es gibt nichts Besseres. Aber wenn es nicht so gut läuft, kann es sich ziemlich schrecklich anfühlen. Ich habe hoffentlich den Punkt erreicht, an dem ich dieses Gefühl identifizieren kann – als etwas, das vorbeigehen wird. Wenn der Harte-Arbeit-Teil an einem Tag überhand nimmt, sodass ich das Gefühl bekomme, ich komme überhaupt nicht weiter, mache ich etwas anderes – spazieren gehen, Freunde treffen, eine Wand streichen – irgendetwas, das meine Gedanken für ein paar Stunden ablenkt. Wenn ich zurückkomme, stelle ich normalerweise fest, dass mein Gehirn das Problem von selbst gelöst hat.
Hattest du Angst vor der Reaktion deiner LeserInnen? Eine Geschichte wie diese dürfte mehr Emotionen wecken als ein Thriller.
Ich weiß nicht, ob „Angst“ das trifft, das ich gefühlt habe. Ich wusste nicht, was ich erwarten sollte. Ich wollte eigentlich nur die LeserInnen erreichen und dass sie die Geschichte mögen und hoffte, dass sie verstehen würden, was ich mit dem Buch versucht habe. Ich hatte nie vor, beängstigende Emotionen zu wecken, ich wollte nur die Geschichte schreiben, die in mir drin brannte.
Einige sagen, das Buch ist ein Märchen. Stimmst du zu?
Es ist schon viel genannt worden: ein psychologischer Thriller, ein Krimi, ein Domestic-noir-Krimi. Aber meine liebste Bezeichnung ist bisher „ein Märchen des 21. Jahrhunderts”. Das beschreibt ganz genau, was ich vorhatte. Ich bin mit Grimms Märchen aufgewachsen und Carmel ist Rotkäppchen sehr ähnlich, das vom Weg abgekommen ist. Ich halte Märchen nicht für zuckersüß, es sind doch eher Geschichten voller Gefahren und Schwierigkeiten. Da passt dieses Buch sehr gut rein.
Es wird nur zweimal im Buch erwähnt, dass Carmel in Beths Träumen rückwärts läuft. Wie läuft das vor Beths Augen ab? Geht Carmel von ihr weg, das Gesicht zur Mutter gedreht, oder geht sie auf sie zu? Oder beides nicht? Wie stellst du es dir vor? (Ich habe es übrigens von der Seite gesehen.) Warum, glaubst du, hat dein deutscher Verlag sich für diesen Titel anstelle vom roten Mantel entschieden?
Was für eine unglaublich faszinierende Frage. Ich finde es sehr interessant, wie jeder solche Bilder anders interpretiert und dass du sie von der Seite gesehen hast. Bei mir ist Carmels Gesicht zur Mutter gedreht, aber die Bewegungen waren nicht fließend, sondern abgehackter, als ob die Zeit haken würde. Das heißt, obwohl Beth sich in ihren Träumen wünscht, dass Carmel auf sie zu kommt, geht sie immer rückwärts und manchmal erscheint Carmel plötzlich besonders weit weg. Ich bin immer noch so fasziniert, dass du das von der Seite gesehen hast.
Was den Titel angeht, war es wohl eine Rechtefrage, warum der deutsche Verlag den Titel mit dem roten Mantel nicht genommen hat (anscheinend gibt es in den Ländern verschiedene Regeln). Aber ich mag den deutschen Titel sehr. Ich glaube, es ist ein starkes Bild, das sie da aus dem Text geholt haben.
Das britische rote Buchcover löst Gedanken an Blut und Gefahr aus, während das deutsche mehr an ein Märchen denken lässt – eine Geschichte über ein nettes Mädchen. Wie haben dir die Cover gefallen, als du sie das erste Mal sehen durftest?
Ich muss ehrlich sagen, ich habe beide von Anfang an geliebt – und ich hatte echt Sorgen, wie sie mir gefallen würden. Mich erinnern beide an Märchen, aber auf unterschiedliche Weise. Das britische Cover ist eine moderne und frische Version von Rotkäppchen – auch dieses Cover hat einen Märchenaspekt – und der kaputte Knopf ist ein starkes Motiv. Das deutsche Cover bedient auch den Märchenaspekt, aber geht mehr auf sowohl Carmels wunderbare Normalität als auch ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten ein. Das liebe ich, denn sie ist ja auch ein „echtes“ kleines Mädchen. Ich finde das Cover unglaublich hübsch und inspirierend. Ich habe beide Ausgaben in meinem Regal aufgestellt und ich finde, dass beide perfekt die verschiedenen Aspekte vom Buch einfangen.
Vielen Dank an Kate Hamer für die bereitwillige Beantwortung der Fragen!
Und jetzt zum Gewinnspielteil: Ohne drüber nachzudenken: Das Mädchen geht rückwärts – wie stellt Ihr es Euch vor? Von vorn, von hinten oder von der Seite?
Unter allen Kommentaren der Blogtour werden bis zum 20.4.2015 fünf Ausgaben des Buches verlost.
Teilnahme am Gewinnspiel ab 18 Jahren oder mit Erlaubnis des Erziehungs/Sorgeberechtigten
- Bewerber erklären sich im Gewinnfall bereit, öffentlich genannt zu werden (Gewinnerpost) und dass ihre Adresse dem Verlag zwecks Gewinnversand übermittelt wird.
- Keine Barauszahlung der Gewinne möglich.
- Keine Haftung für den Postversand.
- Versand der Gewinne innerhalb Deutschland – Österreich – Schweiz.
- Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Huhu,
Ein tolles Interview und eine faszinierende und interessante Frage.
Ich stelle mir vor, von hinten.
Lg Susi Aly
Das Buch ist mir in der letzten Zeit schön öfter begegnet. Es fasziniert mich immer mehr. Das Interview ist wirklich sehr gut gelungen, man bekommt einen guten Eindruck, wie sehr sich die Autorin mit ihren Protagonisten auseinander gesetzt hat. Das gefällt mir sehr.
Zur Frage; ich stelle mir das Mädchen von vorne vor, so wie einem Film, den man rückwärts abspielt.
Huhu und guten Morgen :D
also ich habe ehrlich gesagt ein Bild von Vorne vor Augen. Ich weiß, dass es damit nix zu tun hat, aber ich hab da automatisch eine Assoziation mit den Mädchen in Horrorfilmen vor Auge :O
Rein vom Titel her natürlich, ohne auf den Inhalt einzugehen…
LG
Jacqueline
Danke für das Interview. Es war sehr ausführlich und hat interessanterweise auch Fragen beantwortet, die ich mir gestellt hatte. Und das Foto von dem Mädchen mit dem Buch in drr Hand ist zuckersüß :-)
Zur Frage: Ich stehe hinter der Mutter und schaue ihr über die Schulter, das Mädchen geht rückwärts von ihr weg, ist ihr also zugewandt.
Ich wünsche dir und allen Teilnehmern*innen an der Blogtour einen schönen Start in die Woche
LG
loralee
Ich weiss nicht ob ich die Frage richtig verstanden habe aber ich stell es mir von der Seite vor wie es rückwärts läuft
Die Frage ist schon ein bisschen seltsam. Zum Glück steht da…ohne drüber nachzudenken. Also gut. „Das Mädchen geht rückwärts“…. ich würde es so auslegen, dass sie rückwärts in Gedanken geht und quasi , wie bei einem Film, noch mal in die Vergangenheit blickt.
Jetzt , wo ich alles durchgelesen habe, würde ich es mir so vorstellen, das Mädchen steht von der Mutter und läuft rückwärts, Schritt für Schritt von ihr weg. Der Abstand zwischen Tochter und Mutter wird größer.
Liebe Grüße
Silvia B. aus B.
Was für eine Frage! Aber ganz klar: Von vorne, so dass es immer kleiner wird.
Viele Grüße, die Alex
Von hinten, sodass ich nur ihre Silhouette sehen kann.
Liebe Grüße,
Daniela
Hallo und guten Tag,
Danke für das tolle Interview jetzt zum Abschluss.
Zur Frage : Zur Seite dann rechts weg , aber es könnte auch gut im Wechsel passieren, denn nach einen Schritt rückwärts könnte es ja auch wieder ein Schritt vorwärts sein.
So wie auch das Leben einem manchmal erscheint…man muss zurück um dann dieser einen Schritt vorwärts zu gehen….
LG..Karin…
Ich stelle mir das Mädchen von vorne vor, wie es immer kleiner wird.
komische Frage irgendwie . :D
lG,
Meteorit
Hallo,
ich stell es mir von vorn vor.
LG
SaBine
Einen schönen guten Abend!
Was für ein wunderbares Interview mit vielen tollen Fragen! Vielen Dank für den interessanten Beitrag,hab ich grad sehr gern gelesen.
Zur Frage: ich sehe Carmel von vorne,wie sie rückwärts von ihrer Mutter weggeht.
Ganz liebe Grüße
Katharina
Hi,
das ist eine sehr interessante Frage. Ich sehe sie von vorne vor mir, wie sie nach hinten rückwärts geht.
Mich fasziniert der Klappentext des Buches und finde auch, dass das Cover Lust auf das Buch macht.
Vielleicht habe ich ja Glück und gewinne eines der Exemplare?
Viele Grüße
Lara
Hallo ,
ich stell es mir auch von vorn vor .
Liebe Grüße Margareta
Hallo!
Danke für den tollen Abschluss.Ich liebe Autoreninterviews!
Ich denke auch,das das Mädchen von vorne gesehen wird und dann rückwärts sich von seiner Mutter entfernt!
Vom Titel her, dachte ich erst an ein Mädchen mit Behinderung!Wo die Beine eine Fehlstellung haben un es rückwärts geht.Darüber habe ich mal einen Bericht gesehen.
Ganz anderes Thema in diesem Buch,was mich als Mutter sehr interessiert! Jetzt ab in den Lostopf!
LG Marina
Hallo :)
noch so ein schönes Interview. Vielen Dank dafür!
Ich sehe das Mädchen auf jeden Fall von vorne – wie es sich von mir entfernt. Und sich nicht traut sich umzudrehen aus Angst, ich würde auf sie zulaufen. Sie läuft vor mir weg und behält mich im Auge….(im Übrigen eine sehr gruselige Vorstellung!)
Liebe Grüße, Verena.
Huhu !
Ich würde mir das Mädchen spontan mit dem Gesicht nachvorn zu ihrer Mutter vorstellen.
Vielen Dank für das super interessante Interview !
Liebe Grüße,
Leselinchen
Hallöchen. :)
Das ist eine tolle Frage, aber ich stelle mir das von vorn vor und das Mädchen entfernt sich von mir.
Alles Liebe,
Katja
Guten Morgen!
Ein sehr schönes Interview hast Du mit Kate Harmer geführt. Da war ich schon die ganze Blogtour gespannt drauf.
Liebe Grüße
Mone
Huhu,
ich stelle mir das Mädchen spontan von vorne vor.
Liebe Grüße
Lisa
Hallo, ich bin ein neuer Fan deines Blogs. Sozusagen ein „newbie“ .. Hab dich in meinen Favoriten gespeichert. Schönes Interview mit Kate Harmer. LG Franziska! :-)
Hallo Franziska, vielen Dank für die Blumen! Heute kommt ein neues Interview: Ralph Dohrmann hat meine Fragen beantwortet.