Intermezzo. Betrifft: Briefe
Vorgestern Abend hatte ich das Sofa für mich und habe die Gelegenheit genutzt, die zwei Ordner genauer zu betrachten. Ja, es sind jetzt zwei. Ein großer (der, aus dem ich bisher schöpfte) und ein schmaler. Bisher war ich beim ersten Ordner davon ausgegangen, dass die Briefe chronologisch sortiert sind, wie staunte ich, als ich plötzlich doch noch ein paar von 1931-38 fand! Inhaltlich sind sie allerdings nur mittelspannend, ich muss sehen, ob ich sie für Euch abschreibe.
Der zweite Ordner, der erst seit einer Woche in meinem Besitz ist, wurde nun einer ersten Prüfung unterzogen. Er beinhaltet Briefe ab 1946 bis etwa 1948. Sie sind alphabetisch nach Absendern bzw. Empfängern sortiert. In den meisten Fällen ist es die Korrespondenz von und mit Friedrich, Lenis Mann.
Einiges hat mich besonders erstaunt, so zum Beispiel ein Brief von einer Nazi-Angestellten des Gutes, die 1946 an ihren ehemaligen Chef schreibt, um sich ein bisschen für ihr Verhalten zu entschuldigen. Oder die Briefe von meinem Großvater an seinen eigenen Vater (und dessen Antworten). Die Eltern meines Großvaters waren geschieden und bisher dachte ich, es habe keinen Kontakt gegeben. Dem war offenbar nicht so. Bei jeder dieser Entdeckungen rief ich meinen Vater an, der den Ordner nur flüchtig betrachtet und dann ordnungsgemäß an mich weitergegeben hatte.
Als ich gerade ins Bett wollte, fielen mir dann noch die Briefe von Friedrichs Bruder in die Hände. Er schreibt 1946 aus der Kriegsgefangenschaft in Italien. Es ginge ihm gut, er könne nach Hause kommen, wenn sie wollten, aber er denkt sich, im Lager ist er besser versorgt. Zuhause habe er ja doch keine Arbeit und würde ihnen nur zur Last fallen.
Ich muss mein Chronologie-Konzept nun also ein wenig überdenken. Die Briefe des „neuen“ Ordners sollte ich sinnvollerweise nach Personen sortiert veröffentlichen. Die Frage ist nur – wo fange ich an? Ja, bei A, sehr originell, danke für den Zwischenruf.
Die meisten Briefe beziehen sich in der ein oder anderen Weise auf das Schicksal von Leni. Ihr braucht also zunächst einmal ihre Zusammenfassung der Kriegsjahre. Die gibt es in vielen verschiedenen Varianten, schon da weiß ich nicht so recht, wo ich beginnen soll. Waren die Briefe bisher durchaus amüsant zu lesen, so wird das jetzt zur Nebensache. Eigentlich logisch, aber Ihr solltet darauf vorbereitet sein. Ich war vorbereitet, schließlich handelt es sich um meine Großmutter – und wenn auch nicht gern über die Strapazen gesprochen wurde, waren wir doch zumindest im Groben informiert. Trotzdem finde ich einige Briefe geradezu unerträglich schlimm, andere unerträglich distanziert, wieder andere erschreckend ehrlich. Ich weiß nicht, ob sie mir nur deshalb so nahe gehen, weil Leni eben meine Großmutter war. Ich wäre Euch dankbar über Feedback. Was empfindet Ihr?
Morgen schone ich Euch noch mit einer neuen Rezension, am Freitag beginne ich mit den Nachkriegsbriefen. Andersrum geht auch – das dürft Ihr entscheiden. Das Album muss jetzt ein bisschen warten, ich möchte mit den Briefen vorankommen, sonst wird das nie was mit dem Buch.