14.06.1936: Mein Lieb! (Leni)
Friedrich hat eine neue Arbeit. Da er nicht in der NSDAP ist, gab es offenbar Probleme am Arbeitsplatz – Genaueres weiß ich leider auch nicht.
N., den 14. Juni 36
Mein Lieb!
Mehr denn je muss ich in diesen Tagen an Dich denken, all meine erdenklich besten Wünsche waren bei Dir, dass Deine Besprechung und Deine Lage für die Zukunft so gut wie nur erdenklich für Dich ausfällt. Mein Puck, ich bin nämlich etwas in Sorge, da ich auch heute noch nichts von Dir gehört habe, ich kann mir denken, dass Du nur sehr wenig Zeit zum Schreiben hast, aber es genügt ja eine kurze Postkarte, die mir nur sagt, dass Du die Fahrt gut überstanden hast, man macht sich sonst so viele Gedanken und regt sich vielleicht unnütz auf. Wie habe ich die Tage mit Dir genossen, mein Lieb, es war so schön wie es jetzt eben sein kann und Du glaubst garnicht wie glücklich ich bin, dass wir jetzt Aussicht haben, in absehbarer Zeit zu heiraten, wir werden beide gewiss unsagbar glücklich werden. Die schönen Stunden, die wir hier zusammen draussen erlebt haben, hatten dummer Weise ein nicht so angenehmes Nachspiel, denn mein Hexenschuss wurde dauernd schlimmer anstatt besser und hat sich auch noch nicht gegeben. Gestern habe ich zu Bett gelegen und ordentlich geschwitzt, mit vielen heissen Kartoffeln im Rücken, was sehr gut sein soll, doch hat es wenig genützt. Im Bett kann ich noch schlechter liegen, es ist besser, auf zu sein, wenn ich auch kaum gehen kann. Es ist so ärgerlich, weil ich so vieles tun möchte, mit Frl. Rut. bin ich auch dadurch nicht so ganz zu Ende gekommen, wir konnten aber die Arbeit doch soweit besprechen, die ich jetzt in Zukunft tun werde, es ist ein kleiner Teil der Buchführung.
Mein Lieb, ich freu mich schon so auf nächstes Wochenende, hoffentlich kommt für Dich nichts dazwischen, und haben wir besseres Wetter als neulich, heute war es hier das erste Mal wundervoll. Ich möchte Dich dann bitten, mir meine Armbanduhr mitzubringen, sie wird in Hamburg repariert bei Bühring Speersort, vielleicht rufst Du Frl. Rut. mal an, dass sie sie dort abholt und Du wiederum bei uns am Kontor Tel XXXXXX. Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du sie mitbrächtest.
Fand Deine Mutter Dich ein wenig erholt? Und hast Du sie abends noch angetroffen? War der erste Geschäftstag sehr schlimm? Man hatte doch sicher nicht erwartet, dass Du kamst. Du musst mir sehr bald schreiben und von allem berichten, hier in der Einsamkeit habe ich soviel Zeit über alles nachzudenken und male mir unsere spätere Zeit schon in den schönsten Farben aus. Diese Woche fahren wir einen Tag nach Rostock und dann nochmal nach Lübeck, aber leider werde ich nicht mal eben bei Dir vorsprechen können, zwischen dem 20. und 30. komme ich aber kurz.
Mein Puck, ich freu mich so sehr für Dich, dass diese erste Zeit bei Bolten für Dich nun ganz bald vorbei ist, es übertrifft doch weit unsere Erwartungen, dass es so schnell ging, wer weiss wenn Du später damals eingetreten wärest, wie ungünstig es durch die Gesetze für uns hätte werden können. Damit glaube ich nicht, dass für Dich die erste Zeit in der neuen Firma leicht sein wird, weil Du dich ja wieder erst umstellen musst und wahrscheinlich auch einige Dinge neu hinzukommen, aber immerhin ist es ja ganz etwas anderes als damals. Ich bin auch fest der Überzeugung, dass die damalige Umstellung trotz ihrer rasenden Härte für uns, in erster Linie aber für Dich noch sehr viel gutes haben wird und eigentlich ja schon hat, jedenfalls was das Vorwärtskommen anbetrifft. Nicht wahr mein Puck?
Es liebt Dich sehr, sehr sehr
immer Deine Leni.